Quelle: Plochinger Nachrichten Nr. 16 vom 16.04.2020
Neben digitalem Unterricht verschiedene Angebote für Einzelunterricht – Gruppenunterricht schwierig
„Wir suchten nach Möglichkeiten, um etwas für zuhause zu haben“, sagt Stefan Schomaker, der Leiter der Musikschule zur Gestaltung des Musikunterrichts in Zeiten des Kontaktverbots. Die Lehrerschaft der Schule setzte sich zusammen, um Möglichkeiten eines alternativen Unterrichtangebots auszuloten, nachdem die Musikschule aufgrund der CoronaKrise schließen musste.
In erster Linie könne man durch die Herstellung des Kontakts zwar nur motivierend wirken, es gebe aber auch Möglichkeiten, den Unterricht zum Beispiel digital zu gestalten. Sei es als Fernunterricht via Skype oder durch Versorgung von Noten, Spielanweisungen und Übungen für zu Hause, per E-mail oder Post – die Lehrkräfte unterrichten weiterhin, mit den ihren möglichen Mitteln.
Innovative Unterrichtsgestaltung
Anders als vielleicht erwartet, arbeitet die Musikschule seit Beginn der Krise fast vollständig und soweit wie möglich, mit innovativen Arbeitsmitteln weiter. Mit Fern- und Videounterrichten, eigenen Video-Film-Tutorials oder dem Versorgen mit Noten, Aufgaben und Arbeitsblättern werde der Unterricht aufrechterhalten. Schomaker: „Wir schöpfen dabei gerade alle möglichen, innovativen Arbeitsmöglichkeiten aus, die die Krise uns auferlegt, sich aber für die Zukunft als Chance weiterentwickeln lassen.“ Der Kontakt zu Eltern, Schülern sowie Lehrkräften sei dabei sehr intensiv und stoße auf Freude und Zuspruch. Der Musikschulleiter fragt, wenn nicht jetzt, wann dann lasse sich die Zeit am besten nutzen, um sich mit seinem Instrument zu beschäftigen? Das Einrichten eines Weiterbildungsprogramms sei auch ein stückweit „learning by doing“ für alle gewesen. Zunächst galt es abzuklären, ob die Hard- und Software-Voraussetzungen überall vorhanden sind. Ein Laptop habe mittlerweile jeder zuhause, dabei seien die Schüler teils „super ausgestattet“, wie Schomaker bei zahlreichen Einzelgesprächen in Erfahrung brachte. Sei kein Rechner verfügbar, funktioniere vieles zur Not auch mit dem Smartphone. Und mit Software und Apps wie Skype, Zoom oder Whatsapp, die sich teils kostenfrei herunterladen lassen und für den Unterricht, Austausch oder Videokonferenzen benötigt werden, kennt sich der Musikschulleiter inzwischen aus. Jeden einzelnen Schüler habe er in den ersten Wochen seit der Schulschließung angerufen und abgesprochen, wie sich technisch auf digitalen Wegen ein Unterricht einrichten lasse. Selbstverständlich klärte er vorab hierzu das Einverständnis ab. Vieles musste einfach ausprobiert werden. Probleme schadhafter Internetzugänge bis zu mangelhaften Aufnahmequalitäten galt es, aus dem Weg zu räumen. die Tonqualität vieler Mikrofone und Lautsprecher von Laptops sei meist „nur rudimentär“ vorhanden – doch inzwischen hat Schomaker auch hierfür mit einem Kondensatormikrofon eine preisgünstige Alternative gefunden. Damit lasse sich ein „richtiger Sound“ erzeugen. Wertvolle Tipps erhielt er dazu von Kollegen, die schon längere Zeit im Tonstudio mit entsprechender Technik arbeiten. Mit seinem im Studiobereich erfahrenen Lehrerkollegen Armin Höfer habe sich Schomaker zusammengesetzt und einen „Support-Pool“ eingerichtet, selbst Aufnahmen gemacht und Video-Tutorials erstellt.
Online-Unterricht als Ergänzung
Die Digitalisierung habe einen Schub erzeugt. Darin bestehe „eine Chance, die ich auch für nach der Krise sehe“, so Schomaker. Allerdings sei nur Einzelunterricht umsetzbar, digitaler Gruppenunterricht dagegen nur schwer möglich. Hella Cirillo-Scheerer, die vor allem Gesangsunterricht gibt und diesen oft mit dem Klavier begleitet, ist von der neuen Möglichkeit begeistert. Die Schüler hätten das Medium in den Unterricht eingebaut oder damit eine Ergänzung zum Unterricht kennengelernt. Der Musikschüler erhalte zum Üben ein Video-Tutorial mit einem „Youtube“-Link. Die Noten des Tutorials seien dabei größtenteils selbst zusammengeschrieben und die Begleitung selbst aufgezeichnet. Auf dem Privatkanal, der nur für den Schüler freigegeben wird, gibt es individuell nach einem kurzen „Hallo“ Erklärungen zum Stück. Anschließend ans Vorspielen erfolge eine telefonische Beratung durch den Lehrer. Schomaker ist überzeugt, dass die Tutorials „unheimlich motivieren“. Je nach Gusto ließe sich bei der „Band in the Box“ zum Beispiel passend für das Musikstück eine ganze Orchesterbegleitung zusammenzustellen oder auch nur einzelne Instrumente hinzunehmen. Dabei kann der Schüler zunächst ein langsameres Übungstempo wählen, um später das Stück in unterschiedlichen Geschwindigkeiten nachzuspielen. Nachdem das Angebot zu Beginn „noch etwas ruckelte“, gebe es inzwischen „super Rückmeldungen“ von Schülern wie Eltern. „Die üben mehr als sonst“, würden Eltern berichten. Nicht jeder habe täglich Lust dazu, aber das Online-Üben sei praktisch jederzeit möglich. Um das digitale Angebot auf die Beine zu stellen, blieb der Musikschule nicht viel Zeit. Schließlich bestand die Sorge, dass durch den Unterrichtsausfall die Schüler nicht mehr bei der Stange gehalten und die Lehrer nicht mehr weiterbezahlt werden können. Nachvollziehbar sei auch die Äußerung einer Cello-Lehrerin, die zwar sagt, alles laufe gut, die Schüler hätten Spaß, doch sie freue sich wieder auf den ersten normalen Unterricht, wenn sie ihre Schüler wiedersehe. Es fehle einfach der direkte Kontakt. Für Schomaker ist das digitale Angebot ein „wichtiges Hilfsmittel“, das den Unterricht bereichern, aber keinen Job ersetzen könne. Der Online-Unterricht werde „den Präsenzunterricht niemals ersetzen, kann ihn aber ergänzen“, ist der Musikschulleiter überzeugt. Aufgrund der Corona-Krise „streuen wir uns breiter“, sagt er. Neben der Möglichkeit, die der „Draht zur Technik“ bietet, gebe es aber auch „Digitalisierungsverweigerer“. Dann würden auf klassischem Weg Noten kopiert, ein Brief mit Spielanweisungen sowie Arbeitsmaterial dazu geschrieben und der Post zugegeben.
Hoffnung auf Wiederaufnahme des normalen Betriebs
Wenn der Unterricht an der Musikschule am 20. April wieder aufgenommen werden könne, sei man „mit einem blauen Auge davongekommen“, meint Schomaker. Ansonsten befürchtet er Abmeldungen. Zu berücksichtigen sei, dass je länger die Krise dauere, umso wahrscheinlicher seien Arbeitsplatzverluste. Damit verbunden müssten Eltern ihre Kinder vom Unterricht abmelden, da sie die Gebühren nicht mehr bezahlen können. Und ob der Schulleiter dann seine Lehrer noch halten kann, ist fraglich. Bei längerem Unterrichtsausfall sieht die Entgeltordnung der Schule Rückerstattungen vor. Die Musikschule bittet darum, zunächst abzuwarten. Eine Einstellung aller Zahlungseingänge könnte die gemeinnützige Schule nicht verkraften. Kurse für den Gruppenunterricht werden auch nach einer Lockerung des Kontaktverbots nur schwer möglich sein. Für einen „gefahrlosen Einzelunterricht“ könne die Schule in den großen Räumen den Abstand einhalten, zudem wäre das Aufstellen von Studiotrennwänden oder Plexiglaswänden möglich, denkt Schomaker bereits über die Zeit ab einer Umsetzung von Lockerungen des Kontaktverbots nach.
Bedauerlich sei, dass sich beim Ballett digital nichts machen lasse und der Ballettunterricht erst einmal pausieren muss. Unmöglich sei auch, die frühkindliche Musikalische Erziehung aufrecht zu erhalten. Nach den Osterferien werde das Kollegium eine Auswertung machen. Vorausgesetzt das Kontaktverbotsintermezzo ist von absehbarer Dauer, hätten alle, Schüler, Eltern und Lehrer, die sich mit neuen Unterrichtsformen beschäftigen mussten, profitiert, zieht Schomaker eine Zwischenbilanz. Durch die neu gewonnenen Möglichkeiten sieht er auch große Chancen: es mache Spaß mit den technischen Möglichkeiten in Kontakt zu bleiben, es habe sich ein anderer Ehrgeiz entwickelt und auch die Lehrkräfte hätten sich weiterentwickelt.